4. Die Besetzung des Gewerkschaftshauses am 1. April 1933
Da SPD und Gewerkschaften formal noch bestanden und trotz des Terrors die alte Organisation aufrecht erhielten, blieben ihre Zentren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Ein solches Zentrum war in Hannover das Gewerkschaftshaus. Es beherbergte die Redaktion des „Volkswillen“, den Sitz der Gewerkschaften, das Büro der SPD und weiterer sozialdemokratisch orientierter Organisationen.
Um eine Wiederholung des SA-Überfalls vom Sommer 1932 zu verhindern, wurde das Gewerkschaftshaus seitdem von Reichsbannerleuten, vor allem aus der Schufo, bewacht. Die Mitgliederkartei des Ortsvereins war bereits mit der Absicht, sie zu vernichten, aus dem Hause geschafft worden. Eintritt ins Gewerkschaftshaus erhielt nur, wer sich mit einem Gewerkschaftsbuch oder dem SPD-Parteibuch auswies. Den letzten Rückhalt der Arbeiterbewegung in der Stadt wollten die Arbeiter nicht ohne weiteres preisgeben.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen nutzen SA und SS am 1. April 1933 die Gelegenheit, das Haus zu stürmen. „Die hatten da vorher zwei Leute reingeschickt. Und als dieser Trupp, die sind in der Herrenhäuser Allee angetreten, da hat es geheißen: Gewerkschaftshaus besetzen … Und in dem Augenblick, wo die vorbeimarschiert sind, da sind zwei rausgekommen aus dem Restaurant. Und dann haben die geschossen.“ Dieser inszenierte Vorwand, dass angeblich aus dem Gewerkschaftshaus auf die vorbeimarschierenden SS- und SA-Truppen das Feuer eröffnet worden sei, war das Signal, das Gewerkschaftshaus durch den einzigen unbewachten Eingang zu stürmen und zu besetzen. Von der Odeonstrasse her drang weitere SS in das Gebäude ein. „Das ist so minutiös abgelaufen, dass von der Rückseite und auch von vorn, das Gewerkschaftshaus im gleichen Augenblick abgeriegelt und besetzt wurde“.
Angesichts bewaffneter SS leisteten die Reichsbannerwachen keinen Widerstand mehr. Der Gebäudekomplex und das Personal wurden nach Waffen durchsucht, gefundene beschlagnahmt, im Haus befindliche Fahnen der Republik und der Organisationen öffentlich verbrannt. Als Zeichen des Sieges hissten die Besetzer eine Hakenkreuzfahne auf dem Dach.
Die an diesem Tag verhafteten 25 Gewerkschafter wurden auf dem Hof zusammen getrieben, geprügelt und schließlich auf Lastwagen durch Braunschweiger SS abtransportiert. Das Gewerkschaftshaus wurde versiegelt, von SS bewacht und künftig auch nicht mehr freigegeben. Am Nachmittag wurde das Gebäude des Verbandes der Fabrikarbeiter am Rathenauplatz 3 ebenfalls besetzt. Damit hörten alle traditionellen Verbände Hannovers auf zu existieren.
Eine Verhaftungswelle — die erste hatte einen Monat zuvor ausschließlich Kommunisten gegolten —, rollte nun über die sozialdemokratischen Funktionäre hinweg. Diese Aktion in Hannover und anderen Städten war eine Generalprobe für die reichsweite Besetzung der Gewerkschaftshäuser und die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933.