5. Opposition gegen den SPD-Parteivorstand

Franz Nause und Werner Blumenberg lernten sich 1932 kennen, als Franz Nause mehrmals Klebezettel für die Wahlkampfpropaganda aus dem Büro des Redakteurs Blumenberg holte. Beide teilten die Auffassung, dass eine gewaltsame Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus unvermeidbar sei. Ende Februar oder Anfang März 1933 erhielt Franz Nause sechs Schusswaffen mit Munition von Werner Blumenberg, die er an seinen Schufo-Kameraden Karl Giebel zur Verteilung weiter gab.

Obwohl die SPD zu dieser Zeit noch bestand und der Wille zum Widerstand in den Organisationen der Arbeiterschaft, insbesondere im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold wuchs, erhielten die Mitglieder von den oberen Parteidienststellen keine Handlungsanweisungen. Nause und Blumenberg waren sich darin einig, dass diesem „Versagen" eine Initiative entgegengesetzt werden müsse. Sie beschlossen, sich von der bisherigen SPD-Leitung zu trennen, eine Opposition zu bilden und die Stellungnahmen zu den politischen Tagesereignissen selbst zu verfassen. Der seit der Besetzung des Gewerkschaftshauses verborgen lebende Werner Blumenberg tippte seine eigenen Betrachtungen in die Schreibmaschine, Franz Nause und andere zuverlässige Parteigenossen verteilten die zwei bis vier Seiten langen Durchschläge der Berichte in verschlossenen Umschlägen bei unteren SPD-Funktionären, die Blumenberg und Nause aus dem Parteileben bekannt waren. Durch ihren „Informationsdienst“ wollten sie den wartenden Genossen endlich etwas an die Hand geben.

Im Juni 1933 brachten Blumenberg und Nause die programmatische Schrift "Was soll werden?" heraus, die nur wenigen SPD-Funktionären in die Briefkästen gesteckt wurde. Er setzte die notdürftig weiter existierende Partei unter Druck, indem er ihr Versagen vorwarf und ihre Selbstauflösung und den Übergang in die Illegalität forderte. Erst dann könne die Partei wieder arbeiten. Er prangerte an, dass die Arbeiterschaft nur zu Bereitschaft und Disziplin aufgerufen wurde, obwohl sie sich gegen die Nationalsozialisten zur Wehr setzen wollte. Blumenberg warnte davor, sich in der beruhigenden Hoffnung zu wiegen, das NS-Regime ginge seinem baldigen Ende entgegen. Stattdessen rief er dazu auf, sich in einer neuen sozialistischen Arbeiterbewegung zu sammeln, um den Boden für den Umsturz zu bereiten.

Das hatte Folgen. Albert Behrens, Landtagsabgeordneter und Bezirksvorsitzender der SPD sowie Verfechter des Legalitätskurses, drohte Franz Nause „hochgehen“ zu lassen, wenn er mit dieser Aktion ihn, Behrens, und die Partei in Gefahr bringen würde. Zwei Tage später wurde Franz Nause durch die Kriminalpolizei verhaftet. Mangels Beweisen setzte sie ihn zwei Tage später jedoch wieder auf freien Fuß.

Er fuhr zum Steinhuder Meer, um den sich hier versteckenden Werner Blumenberg über die Entwicklung in Hannover zu informieren. Ende Juni kehrte Blumenberg nach Hannover zurück, um den über ihn und Franz Nause entstandenen Verdacht staatsfeindlicher Betätigung zu zerstreuen. Es gelang. Doch die SPD war inzwischen reichsweit verboten worden.

„Die deutsche Arbeiterbewegung ist einer Katastrophe zum Opfer ...

„Die deutsche Arbeiterbewegung ist einer Katastrophe zum Opfer gefallen. Was keiner von uns für möglich gehalten hatte, ist geschehen: Kopflos haben alle unsere einst so stolzen Organisationen sich vor dem Nationalsozialismus zurückgezogen. Alle die unerhörten Opfer [waren vergeblich,] weil wir in dem Augenblick, wo wir mit den letzten Mitteln [kämpfen mussten] nicht gekämpft haben.“
Quelle: Werner Blumenberg, „Was soll werden?“
Vergilbtes Papier, A4-Format, mit hektografiertem Text, der leicht schräg abgezogen worden ist; oben rechts eine rote 30 und eine Kreuz der Staatsanwaltschaft

Erste Seite der Schrift "Was soll werden?", Mai/Juni 1933 (s.a. "Dokumente")

© Bundesarchiv
Erste Seite der Schrift "Was soll werden?", Mai/Juni 1933 (s.a. "Dokumente")
© Bundesarchiv
Aufnahme aus einer höheren Etage eines Hauses, links lange Reihen mit Reichsbannerleuten, rechts gedrängt Zivilbevölkerung

Trauerzug für die am 21.02.1933 am Lister Turm ermordeten Reichsbanner-Leute Willi Großkopf und Wilhelm Heese am 25.02.1933 vor dem Gewerkschaftshaus

© Historisches Museum Hannover
Trauerzug für die am 21.02.1933 am Lister Turm ermordeten Reichsbanner-Leute Willi Großkopf und Wilhelm Heese am 25.02.1933 vor dem Gewerkschaftshaus
© Historisches Museum Hannover