9. Die Sozialistischen Blätter

Anfang Juni 1933 brachte Werner Blumenberg einen Abzugsapparat und einen Handdrucker, beides hatte er vermutlich aus dem Gewerkschaftshaus gerettet, in Franz Nauses Wohnung. Die ersten Abzüge fertigten beide gemeinsam an, wobei Blumenberg die Schreibmaschinenarbeit übernahm und Franz Nause die Vervielfältigungstätigkeit. Da 1933 noch keine feste Organisation bestand, kamen die folgenden Flugschriften unregelmäßig und ohne bestimmten Titel heraus. Nach Beendigung der Arbeit wurde der Apparat ab Sommer 1934 jedesmal im Keller von Heinrich Krumfuss untergestellt, der um die Ecke wohnte.

Später schrieb Brunhilde Schmedes, ehemals Redaktionssekretärin beim „Volkswillen“, die von Blumenberg erarbeiteten Manuskripte auf Wachsmatrizen. Die Übergabe der Vorlagen sowie die Rückgabe der beschriebenen Matrizen erfolgten fast immer auf der Straße.

Nachdem der seit 1932 arbeitslose Franz Nause Ende 1934 vom Besuch eines Wohlfahrtbeamten in seiner Wohnung beim Abziehen der Sozialistischen Blätter überrascht worden war, wurde der Abzugsapparat in die Wohnung seiner Freundin Auguste Breitzke gebracht. Anstelle von Krumfuss halfen nun Auguste Breitzke und Martin Wirth, ein Reichsbannermann. 

Nach der Verhaftung Willy Wendts am 5. März 1935 wurde es auch bei Breitzkes zu unsicher. Franz Nause mietete unter falschem Namen ein Zimmer in der großen Wohnung der Eltern Brunhilde Schmedes' an. Letztere half jetzt auch beim Abziehen der von ihr geschriebenen Wachsmatrizen. Auguste Breitzke übernahm zusätzlich den größten Teil der Verteilungsarbeit, die Willy Wendts zuvor inne hatte, kassierte die Erlöse von den Abteilungsleitern und rechnete mit Blumenberg ab. Den Versand nach außerhalb hatte der für die Deutsche Reichspost arbeitende Peter Schneider übernommen. Nach seiner Flucht nach Holland Anfang 1936 übernahm Frieda Vahrenhorst seine Aufgabe.

In der Regel waren die alle vier bis sechs Wochen erscheinenden Flugschriften, die seit August 1934 den Titel "Sozialistische Blätter" trugen, im DIN A4-Format und zehn Seiten stark. Im Abzugsverfahren wurden doppelseitig fünf Blätter auf Saugpostpapier gedruckt und anschließend geheftet. Da die Auflage von anfänglich 200 Exemplaren auf bis zu 1 000 im Jahr 1935 gestiegen sein soll, wollte Werner Blumenberg alles in einer Druckerei herstellen lassen. Zu diesem Zweck nahm er Kontakt mit dem Buchdrucker Karl Böttcher auf, der einem Kreis angehörte, in dem vorwiegend ehemalige Abteilungsleiter und Vorstandsmitglieder des SPD-Ortsvereins agierten. Einige von ihnen waren in das Verteilernetz der Sozialistischen Front integriert.

Zur Finanzierung einer gedruckten Ausgabe wurde einmal eine Nummer der Sozialistischen Blätter für 40 statt der bisher üblichen 20 Pfennige verkauft. Die Hoffnung, eine von der Sopade bereits gewährte finanzielle Unterstützung tatsächlich zu erhalten, erfüllte sich jedoch nicht. So erschienen die Sozialistischen Blätter bis zum Ende der Organisation im August 1936 im Abzugsverfahren.

"... dass der Sprengstoff, mit dem man heute gegen das System ...

"... dass der Sprengstoff, mit dem man heute gegen das System arbeiten kann, vor allem Schriften sind, die das Fundament des Regimes untergraben."
Quelle: Werner Blumenberg, Erfahrungen in der illegalen Arbeit, unveröffentlichtes Manuskript 1936, S. 79

Technische Blätter zur Herstellung von Flugblättern mit verschiedenen Verfahren (s.a. "Dokumente")

© Bundesarchiv
Technische Blätter zur Herstellung von Flugblättern mit verschiedenen Verfahren (s.a. "Dokumente")
© Bundesarchiv
Ein Redner auf einem erhöhten Podest, unten Jungbanner mit Bajonetten, jubelnde Menschenmassen, im Hintergrund ein altes Gebäude (Berlin?)

Illustrierte Republikanische Zeitung, Februar 1933: Antifaschistische Kundgebung des Reichsbanners

Illustrierte Republikanische Zeitung, Februar 1933: Antifaschistische Kundgebung des Reichsbanners