BiografienKarl Baller

Karl Baller(14. Januar 1902, Linden)

Nach Beendigung der Tischlerlehre 1920 schloß sich Karl Baller als Achtzehnjähriger einem Freikorps im östlichen Grenzschutz an. Nach Hannover zurück gekehrt arbeitete er wieder in seinem Beruf. Zu seinen Arbeitgebern gehörte die Hannoversche Waggonfabrik in Hannover-Linden; vor seiner Festnahme war er Fräser bei der Hanomag.

1923 trat er dem Verein Naturfreunde bei, 1928 wurde er Mitglied der SPD und war 1932 zweiter Vorsitzender der Ortsgruppe Hannover-Westerfeld. Ebenfalls 1932 besuchte er die "Sozialistische Heimvolksschule Tinz" in Gera. Außerdem wurde er Jugendleiter im DHV.

Karl Baller lernte über Rudolf Wittrock – beide waren "Naturfreunde" –, Friedrich Siemon kennen, von dem er 1934 auch die ersten Sozialistischen Blätter erhielt. Siemon war im Sommer 1934 Schlosserlehrling bei der Reichsbahn und hatte sechs Tage Urlaub und einen Freifahrtschein mit der Reichsbahn erhalten. Er fragte Baller um Rat, wohin er in den Urlaub fahren könne. Baller schlug ihm Sachsen und Thüringen vor und gab Siemon von einer Liste einige Adressen ehemaliger Tinz-Schüler, die ihm möglicherweise während eines Urlaubes unentgeltliche Übernachtungen gewähren würden. Diese Liste erregte Walter Spengemanns Interesse. Nachdem sich Baller und Spengemann kennen gelernt hatten, erhielt letzterer die Liste und schrieb einige Namen ab. Diese Personen wurden in der Folgezeit, auch mit Karl Baller als Absender, mit den Sozialistischen Blättern beliefert.

Als 1935 mehrfach Hausdurchsuchungen bei Karl und Elfriede Baller vorgenommen wurden, suchte er Walter Spengemann auf und verlangte, "die Verschickerei der ‚Soz.-Blätter’ [an die ehemaligen Tinz-Schüler] einzustellen", da er sich sonst auf andere Weise wehren müsse. Spengemann erwähnte, dass das Verschicken nicht in seiner Macht läge, Baller andererseits auch nichts zu befürchten hätte, da gewisse Stellen im Polizeipräsidium Hannover "mit dieser Angelegenheit einverstanden wären".

Am 23. März 1936 wurde Karl Baller in Schutzhaft genommen. Nach der Haftentlassung am 19. Mai 1936 beschwerte er sich bei Walter Spengemann, dass seine Frau während seiner Haft nicht unterstützt worden war. Spengemann, der ihn jetzt für vertrauenswürdig hielt, weil er während der achtwöchigen Haft nichts über die Sozialistische Front ausgesagt hatte, verwies jedoch auf Werner Blumenberg. Gleichzeitig klärte er ihn über den Bruch zwischen ihm und Blumenberg wegen Frieda Vahrenhorst auf und sprach von seinen Befürchtungen, dass sie im Falle einer Verhaftung wohl "nicht dichthalten" werde.

Es muss offen bleiben, ob es Walter Spengemanns Idee war oder ob Karl Baller von sich aus Frieda Vahrenhorst, die ihn nicht kannte, wegen einer Unterschriftenprobe aufsuchte. Die sich daran anschließenden Ereignisse führten schließlich zur Flucht Werner Blumenbergs und Frieda Vahrenorsts nach Holland.

Karl Baller wurde noch vor Blumenbergs Flucht am 7. August 1936 verhaftet und in Gestapohaft vernommen. Am 28. Oktober 1936 erfolgte die Überstellung ins Gerichtsgefängnis Hannover, ein Jahr später, am 28. Oktober 1937, verurteilte ihn das Oberlandesgericht Hamm unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren, vier Monaten und zwei Wochen Zuchthaus. Ein Jahr, vier Monate und siebzehn Tage U-Haft wurden als bereits verbüßt anerkannt, die verbleibende Zeit saß er im Zuchthaus Hameln ein.

Nach Beendigung der Haftzeit am 25. Oktober 1938 wurde er jedoch nicht entlassen, sondern "zwecks Inschutzhaftnahme" der Polizei Hameln übergeben, und Anfang November 1938 ins Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Sechs Jahre später, Anfang November 1944, wurde er zur SS-Sturmbrigade Dirlewanger zwangsrekrutiert. Zwischen dem 19. und 25. Dezember 1944 soll er in der Nähe von Sahy in der Slowakei exekutiert worden sein.

Am 14. August 1954 erklärte ihn das Amtsgericht Hannover zum 26. Dezember 1944 für tot.
Karl Baller, um 1935
Karl Baller, um 1935
© Uwe G. Schaper, Bielefeld
Barockes Schloss, erbaut 1745-1748 unter Heinrich XXV. Reuß-Gera, mit Wassergraben umgeben, der 1975 zugeschüttet wurde. Schloss stand häufig leer und wurde immer wieder militärisch genutzt, z.B. als Soldatenunterkunft, Lazarett, für Kriegsgefangene

Gera, Schloss Tinz, um 1905

Gera, Schloss Tinz, um 1905

Glossar

  • Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte

    Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte

    Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, auch "Ehrverlust" genannt, wurde in allen Fällen der Verhängung der Todesstrafe und einer Zuchthausstrafe ausgesprochen. Sie bewirkte den dauernden Verlust aller öffentlichen Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. Diese konnten während ihrer Dauer auch nicht erlangt werden. Ferner verlor eine Person die Möglichkeit, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden und andere politische Rechte auszuüben, darunter das Recht, Vormund zu sein.

    Seit der Strafrechtsreform von 1969 ist die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als strafrechtliche Nebenfolge abgeschafft.

  • DHV

    DHV

    Der Deutsche Holzarbeiterverband (DHV) war 1893 in Kassel als  Gewerkschaft   für die holzbverarbeitenden Berufe gegründet worden. Dazu gehörten u. a. das Drechslergewerbe, Bautischler und das Tischlergewerbe, Bildhauer, Kamm-, Horn- und Haarschmuckarbeiter, Kistenmacher, Knopfarbeiter, Korbmacher, Korkarbeiter, Musikinstrumentenbauer, Parkettleger und Stellmacher.

     

     

  • Naturfreunde

    Naturfreunde

    Die Naturfreunde wurden im September 1895 von dem sozialistischen Lehrer Georg Schmiedl in Wien ins Leben gerufen. Ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung des späten 19. Jahrhunderts, seit seiner Gründung setzte er sich für gerechte Arbeits- und Lebensbedingungen und gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur ein. Von Österreich aus wurde 1905 die "Naturfreunde-Internationale" gegründet. 1933 waren rund 200.000 Mitglieder in 22 Ländern bei den "Naturfreunden" organisiert. Während des Nationalsozialismus ist die Organisation in Deutschland verboten, die Mitglieder wurden verfolgt, die Naturfreundehäuser beschlagnahmt.

    Die "Naturfreunde" sind heutzutage eine der Gründungsorganisationen der Ostermarschbewegung.

    Bekannteste Mitglieder sind u.a.: der ehemalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt, der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl, der Politiker Paul Löbe, der Oberbürgermeister West-Berlins Ernst Reuter, der deutsche Politiker Franz Müntefering.

  • Tinz

    Tinz

    Das Schloss Tinz ist ein in den Jahren 1745 bis 1748 im Stil des Barock erbautes Schloss im Geraer Stadtteil Tinz. Es diente dem reußischen Herrscherhaus als Sommerresidenz und Witwensitz. Ab 1827 stand das Schloss leer und wurde immer wieder militärisch genutzt. So wurden hier u.a. während des Ersten Weltkrieges vorübergehend 204 französische Kriegsgefangene untergebracht, und ab Dezember 1914 wurde es als Lazarett und Genesungsheim für deutsche Soldaten genutzt. 1918 wurde das Schloss dem reußischen Fürstenhaus durch den Arbeiter- und Soldatenrat enteignet. 

    Am 8. März 1920 entstand im Schloss auf Initiative von USPD, MSPD, KPD und unter Mitwirkung der Freien Gewerkschaften eine sozialistische Heimvolkshochschule. In fünfmonatigen Kursen erhielten politisch engagierten Jungsozialisten eine systematische Bildung mit sozialistischem Welt- und Kulturverständnis. Unterrichtet wurde unter anderem Arbeitsrecht, Gesellschaftslehre, Geschichte der Arbeiterklasse, Gewerkschaftswesen, Kunst und Literatur und Ökonomie. Hier lehrten viele bekannte Vertreter der Arbeiterbildung, darunter Alfred Braunthal, Ernst Fraenkel, Georg Engelbert Graf, Karl Korsch, Anna Siemsen und Otto Suhr. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Heimvolkshochschule im März 1933 geschlossen. Bis dahin hatten ca. 1 350 Frauen und Männer an den Kursen teilgenommen.

  • Vorbereitung zum Hochverrat

    Vorbereitung zum Hochverrat

    Um zur Absicherung der eigenen Herrschaft die noch nicht vollständig zerschlagenen Parteiapparate von KPD und SPD zu vernichten,
    wurde durch das "Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24.04.1934 (sog. Verratsnovelle) die Strafbarkeit bei
    Hochverratsdelikten vorverlegt.

    Nach dem nunmehr geänderten § 83 Satz 3 Ziff. 1 StGB war auf Todesstrafe, lebenslanges Zuchthaus oder auf Zuchthaus nicht unter zwei Jahren zu erkennen, wenn die Tat darauf gerichtet war, zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhalt herzustellen oder aufrechtzuerhalten oder wenn die Tat nach Ziff. 3 auf die Beeinflussung der Massen durch Herstellen oder Verbreiten von Schriften gerichtet war.

    Nach der drakonischen Rechtsprechung des OLG Hamm kam es für das Merkmal des "organisatorischen Zusammenhalts" nicht mehr auf eine Funktionärstätigkeit an, es genügte das einmalige Zahlen eines Beitrags an eine illegale Parteikasse. Bei dem Merkmal "Beeinflussung der Massen" reichte das einmalige Verteilen einer Flugschrift oder das Beziehen von Flugschriften, um die Mindeststrafe von zwei Jahren Zuchthaus zu verhängen.

    Konnte das OLG in seltenen Fällen nur den Besitz (nicht das Beziehen) einer Flugschrift nachweisen, konnte Gefängnis bis zu einem Jahr verhängt werden wegen des "Nichtablieferns" hochverräterischer Schriften bei der Polizei (gem. § 21 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 04.02.1933).