BiografienFriedrich Siemon

Friedrich Siemon(4. August 1916, Hannover)

Friedrich (Fritz) Siemon trat Ostern 1933 eine Schlosserlehre im Reichsbahnausbesserungswerk Leinhausen an, die er zum Zeitpunkt seiner Verhaftung 1936 noch nicht beendet hatte.

Während seiner Schuljahre hatte er sich zunächst den "Roten Falken“ angeschlossen, dann der SSG. Im August 1933 wurde er Mitglied der Hitlerjugend, dort jedoch gestrichen, nachdem er seit Ende 1935 keine Veranstaltungen mehr besuchte und keiner Aufforderung mehr nachkam.

Aus der Mitgliedschaft bei den „Roten Falken“ kannte Friedrich Siemon Ilse Wittrock, die Schwester Rudolf Wittrocks, der Fritz Siemon wiederum mit Karl Baller bekannt gemacht hatte.

Ebenfalls vor 1933 lernte Friedrich Siemon Walter Spengemann kennen, als dieser in der Freien nationalen Schülerschaft, die sich bald der Eisernen Front anschloß, einen Vortrag hielt. Zwischen beiden entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis.

Friedrich Siemon und sein Freund Karl Demitz aus der SSG besuchten des öfteren Walter Spengemann zu Hause. Sie unterhielten sich über Politik. Auch nach dem 30. Januar 1933 setzten sie diese Gespräche fort. Bei einem dieser Besuche Anfang 1934 erhielt Friedrich Siemon ein Exemplar der Sozialistischen Blätter und von diesem Zeitpunkt an mehrmals. Einzelne Exemplare nahm er mit nach Hause, las sie und gab sie an Karl Demitz und Karl Baller weiter. Karl Baller waren die Sozialistischen Blätter zu diesem Zeitpunkt schon bekannt. Als Spengemann einmal kein Exemplar mehr zur Verfügung hatte, bekam Friedrich Siemon es bei Hugo Bestel auf ein Passwort hin zum Lesen.

Im Sommer 1934 erhielt Fritz Siemon von der Reichsbahn eine Freifahrt. Karl Baller half ihm bei der Planung und gab ihm Adressen ehemaliger Tinz-Schüler, bei denen er während seiner Reise vielleicht unentgeltlich übernachten könnte. Für Walter Spengemann warf er während dieser Reise in Leipzig einen Brief an die dortige Geheime Staatspolizei mit einem Exemplar Sozialistische Blätter in den Briefkasten.

Nachdem sich Karl Baller und Walter Spengemann durch Fritz Siemon kennen gelernt hatten, fragte Spengemann, ob er von Baller die Liste mit den Adressen der ehemaligen Tinz-Schüler erhalten könne.

Karl Baller wurde am 23. März 1936 im Zusammenhang mit den Sozialistischen Blättern staatspolizeilich verhört. Friedrich Siemon befürchtete, wegen der Übernachtung bei ehemaligen Tinz-Schülern ebenfalls verhört zu werden, weil er „mit dieser Angelegenheit zusammenhing“. Spengemann, bei dem er sich Rat holte, empfahl, nach Holland zu fliehen, wenn die Sache zu gefährlich werden sollte. Doch Werner Blumenberg, den er zu diesem Zeitpunkt kennen lernte, ohne seinen Namen zu erfahren, erklärte, dass dieser Schritt nicht nötig sei.

1935 übernahm Fritz Siemon weitere „Botengänge“ und Verteileraufgaben für Walter Spengemann. Während einer Reise an den Rhein im Juli 1935 warf er zehn Exemplare Sozialistischer Blätter an Tinzschüler, die er versandfertig von Peter Schneider erhalten hatte, in Bonn in den Postkasten. Und im Herbst brachte er ein Päckchen mit zehn Exemplaren zu Hermann Spieske nach Bad Nenndorf.

Am 24. August 1936 wurde Friedrich Siemon in seiner Wohnung festgenommen und ins Gestapo-Gefängnis gebracht und acht Wochen später ins Gerichtsgefängnis Hannover überführt. Das Oberlandesgericht Hamm stellte fest, dass er die illegale Arbeit bereitwillig geleistet habe, die Tat jedoch als minderer Fall anzusehen sei. Am 28. Oktober 1937 wird er zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnisstrafe verurteilt. Ein Jahr und zwei Monate U-Haft wurden ihm angerechnet.
Friedrich Siemon

Rote Falken Limmer, li. stehend: Auguste Breitzke, rechts daneben: Franz Nause

© Sammlung Karl Borchert, Archiv der Arbeiterjugendbewegung
Rote Falken Limmer, li. stehend: Auguste Breitzke, rechts daneben: Franz Nause
© Sammlung Karl Borchert, Archiv der Arbeiterjugendbewegung

Glossar

  • Kinderfreunde (Rote Falken)

    Kinderfreunde (Rote Falken)

    Bereits vor dem Ersten Weltkrieg machten sich Eltern mit sozialdemokratischer Gesinnung Gedanken über die Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Kinder. Im Jahre 1923 kam es zur Gründung der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde Deutschlands (RAG) durch den Vorstand der SPD unter Beteiligung des Zentralbildungsausschusses, der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer (AsL), der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB). Sie verstand sich als eine Zusammenfassung aller auf dem Gebiet der Kindererziehung wirkenden Arbeiterorganisationen.

    Die Roten Falken waren ein Jugendverband in deutschsprachigen Ländern. Entstanden vor etwa einhundert Jahren sollen sie den Kindern sozialistischen geprägter Familien eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung ermöglichen. Das Ziel der Kinder- und Jugendgruppen war die sinnvolle und attraktive Freizeitgestaltung durch Gruppenstunden, Ausflüge und Zeltlager. Sie wurden 1925 aus dem Gedanken heraus gegründet, dass die 12-15Jährigen in den Kinderfreundegruppen mit den Jüngeren nicht gut zusammen passten. Ein Grundgedanke war und ist es auch nach wie vor, dass Jugendliche selbst die Verantwortung für die Rote Falken Gruppe übernehmen.

    Die Roten Falken wollten den Arbeiterkindern eine Abwechslung zum Stadtalltag bieten. Die jungen Proletarierkinder sollten an die frische Luft kommen und einen Sinn fürs Leben erhalten. Die Falkenbewegung beeinflusste auch die Kinderfreundebewegung im Deutschen Reich, die Ideen und Formen in abgeänderter Form übernahm.

  • OLG Hamm

    OLG Hamm

    Für Hochverratsprozesse war zunächst allein das Reichsgericht zuständig. Fälle geringerer Bedeutung konnten mit Wirkung vom 20. März 1933 vom Reichsgericht (ab Mai 1934 vom Volksgerichtshof) an ein Oberlandesgericht abgegeben werden.

    Bestanden in einem Land mehrere Oberlandesgerichte, konnte die Zuständigkeit auf ein einzelnes OLG konzentriert werden. Das OLG Hamm wurde daher zuständig für Hochverratsverfahren aus den Bezirken des OLG Hamm, OLG Köln und OLG Düsseldorf, ferner aus dem Bereich des OLG Celle für die Landgerichtsbezirke Aurich, Osnabrück, Verden und Hannover. Im Juni 1933 kam die Zuständigkeit für Lippe und Schaumburg-Lippe dazu.

    Von 1933 bis Anfang 1941 wurden durch das OLG Hamm mehr als 12.000 Personen wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt.

  • SSG

    SSG

    Die Sozialistischen Schülergemeinschaft (SSG) war die Jugendabteilung der SAJ. Von Januar 1930 bis zum Verbot aller Parteien und Organisationen außer der NSDAP am 14. Juli 1933 war Walter Spengemann Jugendleiter der SSG in Hannover.

  • Tinz

    Tinz

    Das Schloss Tinz ist ein in den Jahren 1745 bis 1748 im Stil des Barock erbautes Schloss im Geraer Stadtteil Tinz. Es diente dem reußischen Herrscherhaus als Sommerresidenz und Witwensitz. Ab 1827 stand das Schloss leer und wurde immer wieder militärisch genutzt. So wurden hier u.a. während des Ersten Weltkrieges vorübergehend 204 französische Kriegsgefangene untergebracht, und ab Dezember 1914 wurde es als Lazarett und Genesungsheim für deutsche Soldaten genutzt. 1918 wurde das Schloss dem reußischen Fürstenhaus durch den Arbeiter- und Soldatenrat enteignet. 

    Am 8. März 1920 entstand im Schloss auf Initiative von USPD, MSPD, KPD und unter Mitwirkung der Freien Gewerkschaften eine sozialistische Heimvolkshochschule. In fünfmonatigen Kursen erhielten politisch engagierten Jungsozialisten eine systematische Bildung mit sozialistischem Welt- und Kulturverständnis. Unterrichtet wurde unter anderem Arbeitsrecht, Gesellschaftslehre, Geschichte der Arbeiterklasse, Gewerkschaftswesen, Kunst und Literatur und Ökonomie. Hier lehrten viele bekannte Vertreter der Arbeiterbildung, darunter Alfred Braunthal, Ernst Fraenkel, Georg Engelbert Graf, Karl Korsch, Anna Siemsen und Otto Suhr. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Heimvolkshochschule im März 1933 geschlossen. Bis dahin hatten ca. 1 350 Frauen und Männer an den Kursen teilgenommen.