26. Der Spitzel

Anna Kanngießer hatte Henny Wahlen und Karl Meerwald aus Hamburg 1934 in Binz auf Rügen kennen gelernt und mit ihnen Adressen getauscht. Als die beiden Hamburger im Mai 1936 Anna Kanngießer in Hannover besuchten, blieben sie zwei Tage bei ihr und lernten auch Frieda Vahrenhorst und Christoph Spengemann, den Vater Walter Spengemanns, kennen. Sie erfuhren von den Aktivitäten der Sozialistischen Front und erhielten ein Exemplar der Sozialistischen Blätter. Gleichzeitig bat Anna Kanngießer um Adressen von Personen, die mit der herrschenden staatlichen Ordnung unzufrieden waren. In der Folgezeit schickte sie dreimal die Sozialistischen Blätter postlagernd nach Hamburg. 

Auf einer dieser Sendungen - die Sozialistischen Blätter wurden als Drucksachen verschickt - stand handschriftlich "Schönen Gruß an Karl". Da dies  die Postbestimmungen verletzte, wurde die Sendung geöffnet. Nach der Prüfung wurde sie der Gestapo übergeben. 

Henny Wahlen und Karl Meerwald wurden am 10. Juli 1936 verhaftet und befanden sich vier Tage später im Gerichtsgefängnis Hamm. Die Gestapo zwang sie, in einem Brief an Anna Kanngießer einen "sehr verläßlichen Genossen Alexander aus Berlin" anzukündigen. Dieser wolle angeblich etwas Ähnliches wie die Sozialistische Front in Berlin aufziehen und deshalb etwas über die illegale Arbeit erfahren.

Nach der Ankunft in Hannover im Juli 1936 wohnte dieser "Genosse Alexander" drei Tage bei Anna Kanngießer. Er lernte auch Werner Blumenberg und Frieda Vahrenhorst kennen. Dass es sich hierbei um einen Verbindungsmann der Berliner Gestapo handelte, wusste niemand.

Werner Blumenberg war zurückhaltend und vorsichtig, so dass der interessierte "Genosse Alexander" keinen Einblick in die Arbeit der Sozialistischen Front erhielt. Er nahm auch nicht am Versand der Sozialistischen Blätter teil. Da Anna Kanngießer nicht den Hauptversand durchführte, lagerte bei ihr auch kein Adressenmaterial.

Doch "Genosse Alexander" hatte einen Fuß in der Tür.

"Denn der Kling z.B. hat sich doch über die Gruppe von Hamburg ...

"Denn der Kling z.B. hat sich doch über die Gruppe von Hamburg eingeschleust … Das … war auch schlecht zu kontrollieren, denn hier in Hannover kannte sich der eine und andere. Da jemand reinzubringen, wäre schlecht, aber wenn jetzt eine Gruppe in Hamburg uns den empfiehlt mit Stichworten, mit allem, was so üblich war, dann hat man das geglaubt."
Quelle: Fritz Wulfert im Gespräch mit Michael Bayertz und Susanne Döscher-Gebauer, 1987
Geschmückter Saal, links und rechts raumhohe Hakenkreuzfahnen, dazwischen nochmal Männer in Uniform mit gleicher Fahne, jemand redet. Vor dem Rednerpult mit Blumen und Pflanzen geschmückt. Der Saal ist voll besetzt.

Einweihung des Volksgerichtshofes 1936

© Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin
Einweihung des Volksgerichtshofes 1936
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin