3. Waffenbeschaffung

Zum einen war die Tätigkeit in den Pionierketten war nicht ganz ungefährlich, zum anderen häuften sich im Wahlkampf 1932 die Überfälle auf das Gewerkschaftshaus, in dem auch der „Volkswille“ seinen Sitz hatte, so dass Werner Blumenberg Kontakt zum 2. Vorsitzenden des Fabrikarbeiterverbandes Albin Karl aufnahm. Diesem war es kurz zuvor gelungen, aus Suhl Waffen zu besorgen, weil die Bürogemeinschaft Überfälle auf den Sitz des Verbandes in Hannover, Rathenauplatz 3, befürchtete. 

Im Herbst 1932 beschlossen Werner Blumenberg, Albin Karl und Georg Geiger, Sekretär des Fabrikarbeiterverbandes, die Mitglieder der Pionierketten mit Pistolen auszurüsten. Da die finanziellen Mittel fehlten kam Blumenberg auf die Idee, unter dem Vorwand, dass bedürftige Reichsbannerleute neue Uniformen benötigen, bei wohlhabenden, meist jüdischen Mitgliedern des Republikanischen Clubs eine Geldsammlung zu veranlassen. Albin Karl und Georg Geiger fuhren im Auftrag Werner Blumenbergs mehrmals mit dem verbandseigenen Pkw nach Thüringen, um Waffen für die Selbstverteidigung zu besorgen. An einer dieser Fahrten nahm auch Werner Blumenberg teil. Er soll 100 Pistolen und 15 000 Schuss Munition besorgt haben. Für Maschinengewehre reichte jedoch das Geld nicht mehr. 

Darüber hinaus bemühte sich Werner Blumenberg um eine Erfassung aller in Hannover, vor allem beim Reichsbanner, vorhandenen Waffen. Der so zusammengetragene Waffen- und Munitionsbestand wurde sowohl in kleinen Waffenlagern versteckt, als auch im Laufe des Frühjahrs 1933 an zuverlässige Schufo-Leute und Mitglieder des Jungbanners verteilt. Sie kamen jedoch nicht zum Einsatz. Ein Teil der Waffen wurde später von Mitgliedern der Sozialistischen Front in den Ricklinger Kiesteichen versenkt, einen weiteren Teil beschlagnahmte die Gestapo bei der großen Verhaftungswelle 1936. 

In seiner ersten illegalen Flugschrift von Mai/Juni 1933 mit der Überschrift „Was soll werden?“ resümierte Werner Blumenberg: „Man wartete draußen im Reich, die Arbeiterschaft war bereit. […] Der Februar verging, es kam der 5. März, aber es geschah nichts. […] es erging keine Anweisung, als die sozialdemokratischen Gewerkschaftshäuser besetzt und die Druckereien zertrümmert wurden. Wir standen in Disziplin bereit, aber man rief uns nicht. […] Die Massen waren bereit zu kämpfen; es gab Zehntausende, die bereit waren, selbst ihr Leben, das Teuerste, was sie besitzen, zu opfern. Aber man rief sie nicht. So standen sie verbissen da, aber sie waren gewohnt, Disziplin zu halten. Hatte man nicht Kampfentschlossenheit gefordert?“

„… in jeder Versammlung in Stadt und Dorf hatten wir gesagt, ...

„… in jeder Versammlung in Stadt und Dorf hatten wir gesagt, dass wir nicht nur mit dem Stimmzettel den Nationalsozialismus abwehren würden, sondern dass wir, wenn nötig, auch von unseren hochgereckten Fäusten Gebrauch machen würden."
Quelle: Werner Blumenberg, Erfahrungen in der illegalen Arbeit

Titelseite des "Volkswille" vom 23. Februar 1933

© Historisches Museum Hannover
Titelseite des "Volkswille" vom 23. Februar 1933
© Historisches Museum Hannover

SS-Aufmarsch in Hannover, Anmarsch in die Nikolaistraße, 1. April 1933

© Walter Ballhause-Archiv
SS-Aufmarsch in Hannover, Anmarsch in die Nikolaistraße, 1. April 1933
© Walter Ballhause-Archiv

Glossar

  • "Volkswille"

    "Volkswille"

    Der "Volkswille" war eine sozialdemokratische Tageszeitung, die erstmals unmittelbar nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes am 1. Oktober 1890 erschien. Sie war das Sprachrohr einer SPD-Führung, die einen gemäßigten und legalistischen Kurs verfolgte. Der jeweilige örtliche Parteivorstand führte die Aufsicht.

    Alle SPD-Mitglieder waren zum Abonnement des „Volkswille“ verpflichtet.

    1930 arbeiteten in den drei Abteilungen des „Volkswille“ – Buchhandlung, Druckerei und Zeitung – 153 Arbeiter und Angestellte. Deren Emblem, drei Pfeile, wurde nach der Gründung der Eisernen Front  1932 in den Titel aufgenommen. Zu dieser Zeit lag die Auflage bei etwa 60.000 Exemplaren. Ein bekannter Redakteur aus dieser Zeit war Arno Scholz.

    Nach der Besetzung des Gewerkschaftshauses am 1. April 1933 musste der Maschinenpark der nationalsozialistischen "Niedersächsischen Tageszeitung" (NTZ) überlassen werden.

    Nachfolgerin des "Volkswille" wurde ab dem 18. Juli 1946 die "Hannoversche Presse".

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