2. Vorbereitung der Illegalität

Hannover war eine der wenigen Städte, die die Empfehlung des SPD-Parteivorstandes zur Einführung eines Pioniersystems durchsetzte. Auf einer Konferenz der Abteilungsleiter der hannoverschen SPD wurde der zweiunddreißigjährige Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung „Volkswille“ Werner Blumenberg zum Leiter dieser neuen Organisation ernannt. Seine vorrangigen Aufgaben bestanden im Flugblattverteilen, Zettel- und Plakatekleben, Pionierketten bilden und bei den anstehenden Wahlkämpfen propagandistisch tätig zu werden, um die sozialdemokratische Jugend an die Parteiarbeit heranzuführen

Dieser Auftrag gab Werner Blumenberg Gelegenheit, zu einer Reihe besonders aktiver Mitglieder verschiedener SPD-naher Organisationen Kontakt aufzunehmen. Im Sommer 1932 begann er aus der Schufo, dem Reichsbanner, den Sportorganisationen, den Naturfreunden und anderen Verbänden zuverlässige Genossen auszuwählen, um die illegale Arbeit vorzubereiten. Zu dieser Gruppe gehörten Franz Nause, Bruno Cickron, Auguste Breitzke, Walter Felbel, Friedrich Lohmeyer, Bernhard Furch, Heinrich Gehrke, Albert Hoff und Willy Wendt. Blumenberg sammelte diejenigen um sich, die seine Auffassung teilten, dass eine gewaltsame Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus unvermeidbar sei, und brachte sich schon bald in Opposition zur Parteileitung. Zwar schien der Vorstand der hannoverschen SPD irgend etwas zu vermuten, zu Ausschlüssen kam es jedoch nicht.  

Weitere Kontaktpersonen stammten aus den militanten Teilen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und dem Jungbanner. Auf diese Kreise, die Ansätze oppositionellen Verhaltens zeigten, konnte Blumenberg später beim Aufbau der Organisation Sozialistische Front zurückgreifen. 

Für den organisatorischen Aufbau des illegalen Apparates übernahm er das in der KPD praktizierte Prinzip der „Fünfergruppen“. Diese Größe ist so etwas wie eine Idealgröße: Klein genug, um beweglich zu sein, bot sie höchste Sicherheit gegen unbefugtes Eindringen ins Zellensystem und war trotzdem groß genug, um wirksame Arbeit leisten zu können. Der eine durfte nicht mehr wissen, als was er mit ruhigem Gewissen verraten kann.

„Aber der Werner Blumenberg in seiner Art, also die Dinge zu ...

„Aber der Werner Blumenberg in seiner Art, also die Dinge zu durchdenken, gar nicht so übermäßig spontan reagierend, sondern sehr bedächtig, sehr behutsam. Ein sehr begehrter Mann. Und mit einer gewachsenen Autorität“.
Quelle: Interview mit Egon Franke, 1987
Titelseite mit Abbildung der Verordnung des Reichspräsidenten gegen politischen Terror, darunter der aufgebahrte Leichnam

Illustrierte Republikanische Zeitung 1932: "20 Todesopfer des Reichsbanners seit dem 14. Juni, dem Tage der Wiederzulassung der SA, der Terrortruppe Hitlers"

Illustrierte Republikanische Zeitung 1932: "20 Todesopfer des Reichsbanners seit dem 14. Juni, dem Tage der Wiederzulassung der SA, der Terrortruppe Hitlers"

Glossar

  • Jungbanner

    Jungbanner

    Das Jungbanner war die Jugendorganisation der überparteilichen Republikschutzorganisation Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und bestand von 1926 bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten im Sommer 1933.

    Das Jungbanner hatte es sich zum Ziel gesetzt, männliche Jugendliche im Sinne der Weimarer Verfassung zu überzeugten Republikanern und mündigen Bürgern zu erziehen. Neben der Bildungsarbeit stand die Körperschulung durch gemeinsame sportliche Aktivitäten im Mittelpunkt. So gab es sowohl wöchentliche Sportabende und regelmäßige Sportfeste als auch Vorträge und Schulungswochenenden zur Bildung eines politischen Bewusstseins. Dem überparteilichen Charakter entsprechend herrschte in der Organisation ein vergleichsweise tolerantes, undogmatisches Klima.

    Das Jungbanner bildeten die Reichsbanner-Mitglieder von der Entlassung aus der Volksschule mit 14 Jahren bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs. Ähnlich wie im Reichsbanner auch dominierten das Jungbanner Mitglieder, die aus dem sozialdemokratischen Milieu stammten. 1928 soll das Jungbanner knapp 700.000 Mitglieder gezählt haben.

    Das Jungbanner gehörte zum aktivsten Teil des Reichsbanners, der stärker zu militanten Aktionen neigte und es dabei auch mit der aggressiven SA aufnahm. An der Basis rückte die parteipolitische Neutralität dabei zunehmend in den Hintergrund. Die Kameradschaften suchten das enge Bündnis mit der Sozialdemokratie. Ab etwa 1931 betrachtete sich das Jungbanner gemeinsam mit SAJ, Arbeitersportjugend, Jungsozialisten, Naturfreundebewegung und der Gewerkschaftsjugend als Teil der sozialistischen Jugendverbände.

    Ein Höhepunkt der Jungbanner-Arbeit war der erste Bundesjugendtag in der Reichsbanner-Hochburg Magdeburg Pfingsten 1930.

  • Naturfreunde

    Naturfreunde

    Die Naturfreunde wurden im September 1895 von dem sozialistischen Lehrer Georg Schmiedl in Wien ins Leben gerufen. Ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung des späten 19. Jahrhunderts, seit seiner Gründung setzte er sich für gerechte Arbeits- und Lebensbedingungen und gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur ein. Von Österreich aus wurde 1905 die "Naturfreunde-Internationale" gegründet. 1933 waren rund 200.000 Mitglieder in 22 Ländern bei den "Naturfreunden" organisiert. Während des Nationalsozialismus ist die Organisation in Deutschland verboten, die Mitglieder wurden verfolgt, die Naturfreundehäuser beschlagnahmt.

    Die "Naturfreunde" sind heutzutage eine der Gründungsorganisationen der Ostermarschbewegung.

    Bekannteste Mitglieder sind u.a.: der ehemalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt, der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl, der Politiker Paul Löbe, der Oberbürgermeister West-Berlins Ernst Reuter, der deutsche Politiker Franz Müntefering.

  • Reichsbanner

    Reichsbanner

    Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner, kurz Reichsbanner, war ein überparteiliches, in der Praxis von Sozialdemokraten dominiertes Bündnis in der Zeit der Weimarer Republik.

    Das Reichsbanner war ein Veteranenverband, in dem Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkrieges ihre Kriegserfahrungen mit ihrem Eintreten für die Republik verbanden. Seine Hauptaufgabe sah das Reichsbanner in der Verteidigung der Weimarer Republik gegen Feinde aus den nationalsozialistischen, monarchistischen und kommunistischen Lagern. Dabei verstand sich das Reichsbanner als Hüter des Erbes der demokratischen Tradition der Revolution von 1848 und der verfassungsmäßigen Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold.

  • Schufo

    Schufo

    Nachdem die NSDAP bei der Reichstagswahl 1930 erhebliche Wahlerfolge verbuchen konnte, versuchte das Reichsbanner im September dem verstärkten Straßenterror der SA-Einheiten durch eine Umstrukturierung der technischen Ebene entgegenzutreten. Die aktiven Mitglieder wurden in Stammformationen (Stafo) und die paramilitärischen Eliteeinheiten Schutzformationen (Schufo) aufgeteilt. Daneben gab es weiterhin die Einheiten des Jungbanners.

  • "Volkswille"

    "Volkswille"

    Der "Volkswille" war eine sozialdemokratische Tageszeitung, die erstmals unmittelbar nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes am 1. Oktober 1890 erschien. Sie war das Sprachrohr einer SPD-Führung, die einen gemäßigten und legalistischen Kurs verfolgte. Der jeweilige örtliche Parteivorstand führte die Aufsicht.

    Alle SPD-Mitglieder waren zum Abonnement des „Volkswille“ verpflichtet.

    1930 arbeiteten in den drei Abteilungen des „Volkswille“ – Buchhandlung, Druckerei und Zeitung – 153 Arbeiter und Angestellte. Deren Emblem, drei Pfeile, wurde nach der Gründung der Eisernen Front  1932 in den Titel aufgenommen. Zu dieser Zeit lag die Auflage bei etwa 60.000 Exemplaren. Ein bekannter Redakteur aus dieser Zeit war Arno Scholz.

    Nach der Besetzung des Gewerkschaftshauses am 1. April 1933 musste der Maschinenpark der nationalsozialistischen "Niedersächsischen Tageszeitung" (NTZ) überlassen werden.

    Nachfolgerin des "Volkswille" wurde ab dem 18. Juli 1946 die "Hannoversche Presse".