28. Das Ende der Sozialistischen Front

Als Walter Spengemann aus der Organisation Sozialistische Front ausstieg, schien diese ihren Höhepunkt bereits überschritten zu haben. Den Analysen in den Sozialistischen Blättern, dass das NS-Wirtschaftssystem unaufhaltsam seinem Ende entgegen gehen würde, stand eine abnehmende Arbeitslosigkeit gegenüber. So mancher Leser der Flugschriften, nun wieder mit einem Arbeitsplatz versorgt, dürfte diese für ihn nicht mehr stimmige Überzeugung für überholt gehalten haben. 

Angesichts der Erfolge des nationalsozialistischen Regimes, der Erfolglosigkeit des Widerstandes und der zunehmenden Gefährdung seiner Mitglieder ließ sich seit 1935 eine rückläufige Tendenz feststellen. Doch bevor sie für alle spürbar wurde, bahnte sich bereits das Ende der Sozialistischen Front an.

Der Gestapo in Hildesheim war es im Rahmen einer groß angelegten Verhaftungsaktion in Hannover und Hildesheim gelungen, auch in das Netz der Sozialistischen Front einzudringen. Bei dem ebenfalls verhafteten Leiter der Abteilung VI fand die Gestapo beim Durchsuchen Bruno Cickrons einen Zettel mit Namen von fünf Personen, für die er Theaterkarten besorgen wollte, darunter Franz Nause. Dieser wurde am 30. Juni 1936 verhaftet und nach Hildesheim überstellt. 

Kurz darauf, Anfang Juli 1936, gelang es der Gestapo, einen Spitzel in die Sozialistische Front einzuschleusen. Als dieser sich bei einem wiederholten Besuch auffällig verhielt, flohen Werner Blumenberg und Frieda Vahrenhorst in der Nacht vom 16. zum 17. August 1936 nach Holland. Hier lebte Blumenberg noch immer mit der Vorstellung, dass sich der Schaden begrenzen ließe. Als er Briefkontakt zu einzelnen Mitarbeitern herstellte, suchte ihn Albert Breitzke auf und bat, niemandem mehr zu schreiben, damit nicht weitere Personen durch die Gestapo verdächtigt würden. Doch die Verhafungswelle rollte bereits über die Mitarbeiter und Leser hinweg.

Durch Vernehmungsprotokolle, Anklagen und Urteile sind bisher 419 Personen namentlich bekannt geworden, die entweder zu den Organisatoren gehören oder dem Leserkreis zuzuordnen sind. Bis Ende 1937 wurden 107 Zuchthausstrafen zwischen einem und zehn Jahren ausgesprochen, sowie 133 Gefängnisstrafen zwischen zwei Monaten und zweieinhalb Jahren verhängt. Gegen 71 Personen wurde die Anklage fallen gelassen, gegen weitere 21 das Verfahren eingestellt, acht erhielten Freispruch. Vier Beteiligte waren geflohen, zwei emigriert, einer wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Selbst dem Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin war klar, dass sie nicht alle Mitglieder der Sozialistischen Front erfasst hatten.

Mehrere Personen überlebten die Folgen ihrer verhängten Strafen nicht, darunter: Karl Baller, Albert Breitzke, Wilhelm Bluhm, Heinrich Dettmer, Hermann Döhler, Friedrich Klug, Friedrich Lohmeyer und Franz Nause. Sie starben entweder in Zuchtäusern und Konzentrationslagern, einige im Strafbataillon 999, in das sie zwangsrekrutiert worden waren, damit sie, wie es hieß, für die Wiederherstellung ihrer bürgerlichen Ehrenrechte kämpften.

Schwarz-weiß-Aufnahme; Blick auf die Mauer des Gefängnisses, dahinter ragt ein Gebäude hoch, davon ist eine Straße mit Kopfsteinpflaster zu sehen

Gerichtsgefängnis Hannover, Straßenfront zur Alten Celler Heerstraße, um 1930

© Historisches Museum Hannover
Gerichtsgefängnis Hannover, Straßenfront zur Alten Celler Heerstraße, um 1930
© Historisches Museum Hannover
schwarz-weiß-Aufnahme; Blick in einen Flur voller Geländer und einer steilen Metalltreppe

Gerichtsgefängnis Hannover, Flur in Haus III, um 1930

© Historisches Museum Hannover
Gerichtsgefängnis Hannover, Flur in Haus III, um 1930
© Historisches Museum Hannover
Ansicht des Gefängnisses und Lage im Stadtbild. Liegt an einem Fluß, kompakte Gebäude, übersichtliches Terrain

Luftbild vom Zuchthaus Hameln, um 1960

© Stadtarchiv Hameln
Luftbild vom Zuchthaus Hameln, um 1960
© Stadtarchiv Hameln